Demand Generation: Altes Konzept neu verpackt?
Vor ein paar Jahren ist im B2B Marketing ein neuer Stern aufgegangen. Dieser Stern heisst Demand Generation oder kurz, Demand Gen.
Wer Augen hat, kommt an Demand Generation nicht vorbei.
Auf LinkedIn sind im Juli 2024 allein in der Schweiz 59 Jobs ausgeschrieben, die nach Mitarbeitern mit Demand Gen Skills suchen:
Das weltweite Suchvolumen auf Google ist seit 2022 regelrecht explodiert:
Und auch im deutschsprachigen Raum nimmt der Terminus seit 2022 so langsam aber sicher an Fahrt auf:
Doch was hat es damit auf sich? Ist das Konzept wirklich neu und hilfreich? Und wie unterscheidet sich Demand Generation von bereits etablierten Begriffen wie Leadgenerierung oder Inbound Marketing?
Diesen und weiteren Fragen werden wir in diesem Artikel nachgehen.
Was ist Demand Generation?
In einem Artikel für HubSpot definiert B2B Guru Gaetano di Nardi Demand Gen folgendermassen:
Essentially, demand generation is a long-term, education-focused marketing strategy that prioritizes reaching and engaging “out of market” buyers. The ultimate goal of B2B demand generation is remaining top of mind while your potential customers are not in a buying cycle — so that whenever the need arises, your product or service is immediately considered for purchase.
Andere B2B Player wie Cognism scheinen diese Einschätzung zu teilen:
Demand generation is the entire range of B2B marketing and sales initiatives that generate interest in your company’s product or service. But it’s not just about discovering prospects that already exist. It’s about stimulating interest in people who know nothing about you. The most effective demand generation strategies concentrate on the problems that prospects face and then supply solutions.
Riecht erstmal stark nach Inbound Marketing mit neuem Anstrich.
Halten wir fest: Bei der Zielgruppe von Demand Generation handelt es sich überwiegend um potenzielle Kunden oder Prospects, welche:
- Noch nicht kaufbereit sind
- Noch kein bestimmtes Produkt/Service auf dem Schirm haben
- Keine Brand Awareness haben
Im klassischen 5-Level Awareness Modell sprechen wir hier also von Kunden, die “Unaware” oder maximal “Problem aware” sind:
Was ist der Unterschied zwischen Demand Generation und Inbound Marketing?
Inbound-Marketing ist eine Methode, um Kunden zu gewinnen, indem man die Bedürfnisse der Zielgruppe in den Mittelpunkt stellt. Der Kern einer Inbound-Marketing-Strategie besteht darin, durch wertvollen Content die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf sich zu ziehen und diese durch eigenständige Kontaktaufnahme (also inbound) in qualifizierte Leads zu konvertieren. Oder in den Worten von Brian Halligan, Co-Founder von HubSpot und Gründervater der Inbound Methodologie:
"[If] you create all this content, and it's rich content — it's informative, it [will] pull people in…so people fall in love with your brand." By using social media, email marketing, blogging, and a truly exceptional website, you can create valuable, informative, and engaging content that pulls people in and cultivates a genuine connection with your brand.
Inbound kann somit als Philosophie oder Denkweise zur Optimierung der Customer Experience entlang der Buyer Journey gesehen werden.
Nachfolgende Infografik verdeutlicht die Überschneidungen von Inbound Marketing und Demand Gen nochmals:
Im Demand Gen Konzept werden zwei Faktoren besonders hervorgehoben:
- Grad der Kaufintention (High vs. Low Intent to buy)
- Marktpotenzial (Out of market vs. in the market buyers)
Im Inbound-Modell wird die Kaufintention eher implizit den Lead-Phasen zugeordnet. MQLs sind weniger nahe am Kauf dran als SQLs.
Über das Marktpotenzial gibt die Inbound Methode wenig Auskunft. Das Demand Generation Modell betont hier klar die 95:5 Regel:
Ob im jetzigen Moment die Zahl kaufbereiter Kunden im Markt 2% oder 6% ist, spielt keine grosse Rolle. Der Richtwert soll lediglich verdeutlichen, wie klein das tatsächlich abschöpfbare Potenzial im Markt heute ist. Dies wiederum hat Implikationen auf die Channel-Auswahl und deren Marketing-Budget.
Wichtig ist: Die meisten potenziellen Kunden sind heute (noch) nicht kaufbereit.
Deshalb sind aggressive Outbound-Sales Strategien mit “kalten” Leads oftmals auch so ineffektiv (dies ändert sich, sobald die Kaufbereitschaft stärker berücksichtigt wird).
Ist kein Intent da, sollten Kunden nicht zum Kauf “überredet” werden.
Wird es doch getan, tritt oft kurz nach dem Kauf die sogenannte Buyer’s Remorse auf und/oder die Churn-Rate steigt an.
Demand Generation geht über Inbound Marketing hinaus
Wer noch weiter sucht lernt, dass sich Nachfragegenerierung offenbar nicht nur auf die Inbound Methodologie beschränkt:
The difference between demand generation and inbound marketing is that demand generation is a broad concept that incorporates inbound marketing, while inbound marketing is a component of several broad concepts, including digital marketing, customer acquisition, growth marketing, and demand generation
Demand Generation beinhaltet dieser Definition nach somit auch Outbound Marketing Aktivitäten:
Zusammengefasst können wir also also festhalten:
Inbound marketing is a component of demand generation, although not its only aspect.
Und was ist jetzt der Unterschied zwischen Demand Generation und Lead Generation?
Wir wir gelernt haben, geht es bei der Demand Generation vor allem darum, noch nicht kaufbereite Kunden in Richtung Kaufbereitschaft zu begleiten. Dies kann man auch also “Intent Creation” bezeichnen.
Es geht darum, die künftige “Nachfrage” zu schaffen, die nicht heute, aber vielleicht in ein paar Monaten oder Jahren zu Kunden werden könnte. Es ist somit eine Art Wette auf die Zukunft von morgen und soll neue Optionen eröffnen. Vielleicht wird dadurch ja sogar das 5% Kuchenstück kaufbereiter Kunden vergrössert?
Lead Generation hingegen legt den Fokus auf das Konvertieren bereits kaufbereiter Kunden:
The main difference between demand generation and lead generation is that demand gen is focused on increasing your brand awareness while lead gen aims at converting brand-aware prospects into customers [...] lead generation is when you turn prospects’ attention into hot leads - those who are ready to become customers. Unlike lead gen, demand gen is less transactional.
Lead Gen Strategien fokussieren sich somit auf die 5% der Prospects, die bereits kaufbereit und im Markt sind sind.
Eine gute Übersicht hierzu gibt uns auch Gartner:
Demand Creation vs. Demand Capture vs. Demand Conversion
Wem es an dieser Stelle noch nicht zu bunt ist, darf sich noch über eine weitere Demand Gen Unterteilung freuen.
Gemäss dem Demand Generation Funnel kann die Buyer Journey im B2B in folgende Phasen eingeordnet werden:
- Demand Creation: Hier wird neue Nachfrage für out-of-market Buyers geschaffen (also verwirrenderweise Demand Gen)
- Demand Capture: Hier werden die 5% heute kaufbereiten Kunden in SQLs konvertiert (aka Lead Generation) und landen in einer Sales Pipeline
- Demand Conversion: An dieser Stelle werden Leads durch den Sales in Deals, also Kunden, umgewandelt
Mir gefällt die Unterteilung deshalb gut, weil sie einfach und klar ist. Nur neu ist sie nicht wirklich.
Was Demand Generation nicht ist
Jeder Trend zieht Menschen an, die den eigentlichen Sinn nicht verstehen (wollen) oder ihn zu ihren Gunsten verdrehen. Demand Generation ist ein typisches Beispiel hierfür. Demand Generation steht mittlerweile für so ziemlich alles im B2B Marketing:
Wichtig zu verstehen ist, dass Demand Gen zwar Kanäle, Content und Webseite-Optimierungen beinhalten kann, aber weit darüber hinausgeht. Es ist keine isolierte Funktion im Unternehmen und es sollte auch nicht eine bestimmte Person oder ein Team geben, das alleine für Demand Gen verantwortlich ist. Deshalb sind die anfangs gezeigten Job-Inserate auch kritisch zu betrachten.
Das moderne B2B Unternehmen richtet den gesamten Apparat, von Marketing, über Sales bis hin zu Customer Success als Teil einer vollumfänglichen B2B Marketing Strategie auf die Nachfragegenerierung aus und optimiert die Buyer Experience an jedem Touchpoint von Demand Creation bis Demand Conversion.
Soll ich mit Demand Creation oder Demand Capture anfangen?
Aus unserer Sicht als B2B Marketing Agentur sollte - sofern bereits Nachfrage sprich Traffic besteht - mit Demand Capture begonnen werden.
Wenn kaufbereite, “heisse” Leads aktuell nicht von deinem Unternehmen kaufen, wird dich auch Demand Creation/Generation nicht retten
In diesem Fall wirfst du einfach mehr Brennholz auf ein Feuer, das (noch) nicht brennt. Gibst du beispielsweise Geld für Paid Ads aus und diese konvertieren schlecht in Qualifizierte Leads, hast du ein Demand Capture Problem und solltest dieses lösen.
Zuerst vorhandene Nachfrage abschöpfen, dann neue Nachfrage schaffen
Holistisches Demand Capture bedeutet:
- Auffindbarkeit und Sichtbarkeit: Auf den richtigen ‘high intent’ Keywords in Suchmaschinen gut auffindbar sein (Paid Ads und SEO)
- Frictionless Website Experience: Dem Prospect eine herausragende Webseite-Experience bieten (CRO/Landing Page Optimization)
- Differenzierte Positionierung: Dein Unternehmen im Markt gekonnt von der Konkurrenz abheben
- Messaging: Potenzielle Kunden mit einem validierten Messaging perfekt abholen (Copy/Messaging Testing)
- Accessibility: Dein Produkt oder Service in Szene setzen und leicht zugänglich machen (z.B. Interaktive Demos)
- Preistransparenz: Preise offen kommunizieren (siehe auch meinen Artikel zu Leadqualität steigern)
- Top Beratung: Fragen schnell und zielgerichtet beantworten (auch durch menschlichen Support) und beratend zur Seite stehen
- Vertrauen schaffen: Beispielsweise mit Success Stories oder Kunden-Testimonials
- Vergleichbarkeit erleichtern: Konkurrenzvergleiche von Features, Vor- und Nachteilen ermöglichen (z.B. Alternative zu XYZ Pages)
Erst wenn die Demand Capture Conversion-Rates akzeptable Werte erreicht haben, rate ich meinen Kunden dazu, mit Demand Creation/Generation zu beginnen.
Fazit
Demand Generation betont die Wichtigkeit der Kaufintention und liefert mit der 95-5 Regel realistische Annahmen zum tatsächlich adressierbaren Markt. Es rückt den Fokus weg von der oft verhassten, Performance-basierten Leadgenerierung mit dem langsam sterbenden MQL-SQL Wasserfall Modell und betont die gezielte Content Creation. Grundsätzlich ist diese Einstellung zu begrüssen, revolutionär sind die Prinzipien von Demand Gen aber nicht.
Ich persönlich befürworte alles, was darauf abzielt, dass Marketing-Teams nicht mehr nur Lead-Lieferanten für den Vertrieb sind.
Demand Generation sollte übrigens auch kein Freipass dafür sein, einen Haufen wertlosen KI-Content zu erstellen. Die Inhalte sollten relevante Antworten auf reale Probleme geben, die deine Kunden lösen möchten. Diese sollte idealerweise Customer Research entspringen.
Die Idee, den Wert eines Produktes via Content zu transportieren und damit den eigenen Brand zu positionieren, ist auch nicht neu, das Konzept wurde bereits vor über 10 Jahren von Gary Vaynerchuk popularisiert.
Braucht B2B Marketing ein Modell wie Demand Gen? Vermutlich nicht. Aber solange es hilft, vom Mindset wegzukommen, dass mehr Leads der ultimative Heilsbringer sind, sollte Demand Generation mit offenen Armen empfangen werden.
Nachfolgende Grafik soll einen guten Überblick über Demand Generation als Ganzes geben.
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