Mit Demand Capture mehr kaufbereite Kunden in Deals konvertieren

August 5, 2024
by
Kevin Sturm
in
B2B Marketing

Demand Capture ist ein Begriff, an dem man im B2B Marketing kaum noch vorbeikommt.

Doch was hat es damit auf sich? Was für Vor- und Nachteile bietet Demand Capture? Und wie misst man den Erfolg?

Was ist Demand Capture?

Demand Capture bedeutet so viel wie Nachfrage abgrasen oder abfangen. Demand Capture ist Teil von Demand Generation, also der gezielten Schaffung neuer Nachfrage.

Mit Demand Capture wird der Teil der Nachfrager im Markt angesprochen, die in diesem Moment auf der Suche nach einem Produkt oder einer Dienstleistung sind, um ein bestimmtes Business-Problem für ihr Unternehmen zu lösen. Somit sprechen wir von einem lukrativen Marktsegment, das viele Vorteile mit sich bringt:

- Hohe Kaufbereitschaft (high intent to buy)

- Kennt bereits Produkte oder Lösungen im Markt (Solution oder Product aware)

- Hat eine gewisse Dringlichkeit, ein Problem zu lösen

- Vergleicht aktiv unterschiedliche Anbieter und Lösungsansätze

- Hat möglicherweise bereits Budget, um das Problem zu lösen

Was wie der perfekte Kunde klingt, hat jedoch einen Haken.

Die 95-5 Regel

In seinem Artikel Advertising effectiveness and the 95-5 rule: most B2B buyers are not in the market right now macht Prof. John Dawes folgende Beobachtung:

The time between purchases for many goods and services is quite long. Corporations change service providers such as their principal bank or law firm around once every five years on average. That means only 20% of business buyers are ‘in the market’ over the course of an entire year; something like 5% in a quarter – or put another way, 95% aren’t in the market.

Spannend ist hier, dass sich die 95-5 Regel auf ein Quartal bezieht. Auf ein Geschäftsjahr bezogen wird wieder einmal die 80/20 Pareto Regel ersichtlich.

Übrigens kamen die Prozentwerte so zustande, indem die durchschnittlichen Inter-Sales Cycles von B2B-Käufen untersucht wurden (also wie lange es geht, bis ein B2B Unternehmen erneut eine gewisse Anschaffung tätigt).

Quelle: https://business.linkedin.com/marketing-solutions/b2b-institute/b2b-research/trends/95-5-rule

Wichtig scheint mir an dieser Stelle festzuhalten:

- Ein Teil der B2B Käufe wird häufiger getätigt und unterliegt deshalb auch öfters Anbieter-Wechseln (hohe Wechselfreudigkeit). Meine Annahme ist, dass hier das Verhältnis eher 60/40 oder 70/30 ist, d.h. ein grösserer Teil des Marktes jeweils kaufbereit ist.

Beispiele: Software wie Miro oder Calendly, Hardware wie Mäuse oder Laptops für SMEs

- Ein anderer Teil der B2B Käufe wird eher selten getätigt und ist mit einem grossen Wechselaufwand oder hohen Kosten verbunden (starke Lock-In Effekte). Hier wird der Split wohl Richtung 95/5 oder noch extremer gehen.

Beispiele: Software wie HubSpot oder ERP Lösungen, Enterprise-grade Hardware Käufe, Einkauf Marketing Agenturen oder externe Dev Teams.

Dadurch haben wir nun auch den grössten Nachteil von Demand Capture aufgedeckt: 95% des Marktes ist Stand heute (noch) nicht “im Markt” oder kaufbereit. Ein Teil des Marktes wird künftig jedoch kaufbereit werden

Die 95/5 Regel gilt im B2B Marketing mittlerweile als Faustregel.

Der In-Market/Out-Market Funnel

An einer B2B Marketing Konferenz im Jahr 2022 präsentierte Jennifer Shaw-Sweet, EMEA Lead vom The B2B Institute (ein LinkedIn Think Tank), folgende Folie:

Schauen wir uns die Grafik im Detail an.

Fokus auf zukünftige Cashflows

Kurzfristig sind nur wenige Käufer im Markt, mittel- bis langfristig (werden es) immer mehr. Dies hat Implikationen für längerfristige Investments, z.B. in Brand Building, Awareness oder mehr Top of Funnel Marketing (also Demand Creation). Meine Anmerkungen in blau:

Zweiteiliger Funnel

Der vertikale Funnel wird unterteilt entsprechend der Anzahl verfügbarer “Käufer”. In diesem Quartal ist nur eine kleine Anzahl Käufer im Markt. Erneut meine Anmerkungen in blau.

Demand Capture Strategien sind für die 5% jetzt kaufbereiten Kunden

Wir wissen jetzt, dass wir mit Demand Capture nur einen kleinen Teil des Marktes erreichen. Der Markt gibt einfach nicht mehr her. Oder wie Dawes schreibt:

And in turn, what that means is you need to have realistic expectations of what any single campaign can do. It can boost your share of the buyers who are in market at the time, but it can’t bring buyers to you who simply aren’t in the market

Wir wissen jedoch auch, dass in diesem Mini-Segment ein ungeheures Absatzpotenzial steckt, mit Käufern, die jetzt von uns kaufen möchten. Natürlich wissen das auch unsere Konkurrenten, weshalb die wenigen, verfügbaren Demand Capture Channels auch hart umkämpft und oftmals teuer sind. 

Kurzfristig lassen sich mit dem Abgrasen bestehender Nachfrage Unternehmensziele tatsächlich gut erreichen. Es rücken ja auch Quartal für Quartal neue Kunden “nach” (meine Notizen in rot):

Dennoch muss mittel- bis langfristig eine Demand Creation Maschine aufgebaut werden, die (mittels Content) positive Brand-Assoziationen und Erinnerungen für out-market Prospects schafft, die heute noch nicht kaufbereit sind. In den Worten von Dawes:

To grow a brand, you need to advertise to people who aren’t in the market now, so that when they do enter the market, your brand is the one they’re familiar with.

Das ist auch eine der zentralen Thesen von Byron Sharp im Marketing-Klassiker How Brands Grow.

Eine vollständige Demand Gen Strategie sieht dann beispielsweise so aus: 

Was sind Demand Capture Kanäle?

Typischerweise fallen folgende Growth Engines in den Demand Capture Bereich:

Paid Ads/Performance Marketing

Suchmaschinenwerbung auf Google Search oder Bing sind deshalb für Demand Capture so beliebt, weil auf Keywords mit direktem, kommerziellem Interesse geboten werden kann:

Quelle: Google

“relocation service für expats” wird mit grosser Wahrscheinlichkeit von jemandem gesucht, der einen Umzugsservice in Anspruch nehmen will. Auch Retargeting Ads z.B. für Besucher deiner Webseite können hier die richtige Zielgruppe erneut ansprechen.

Mit Bezahlwerbung auf LinkedIn oder Meta kannst du dein Ideal Customer Profile mit Segmenten gezielt abholen. Gerade auf LinkedIn ist Retargeting dank Filterkriterien ein präzises Werbeinstrument. Die untenstehende Werbung ist für mich z.B. von hoher Relevanz:

Quelle: LinkedIn Feed des Autors

Suchmaschinenoptimierung (SEO)

Suchmaschinenoptimierung auf Keywords mit high intent ist eine hervorragende Möglichkeit, im richtigen Moment vor deine Zielgruppe zu treten. Sowohl organisch gut rankende Landing Pages (eine Strategie, die ich mit meiner B2B Marketing Agentur Growth Bay verfolge), als auch Content zu Themen mit realem Business Potenzial, können kaufbereite Prospects auf dein Produkt/Service aufmerksam machen. Ein Vorteil von SEO gegenüber Google Ads ist, dass du auch diejenigen Kunden abholen kannst, die eine gewisse Ad Blindness entwickelt haben und Anzeigen automatisch “überspringen”. Anbei ein Beispiel, wo der Anbieter (eine LinkedIn Ads Agency) das Kundenproblem (Demand Generation mit LinkedIn Ads) perfekt lösen könnte: 

Webseite

Eigentlich kein typischer Kanal, ist und bleibt deine B2B Webseite DIE zentrale Anlaufstelle für deine Firma. Du kannst noch so tolle Werbeanzeigen schalten - wenn dein Produkt nicht nachgefragt ist, der Laden nicht glänzt, die Fragen deiner Kunden nicht beantwortet werden und du kein Vertrauen schaffst, funktioniert keine noch so elaborierte Demand Capture Strategie. Ersichtlich wird dies dann an niedrigen Conversion-Rates z.B. auf Demo-Anfragen oder Free Trials.

Product-Led Growth (PLG)

Gewisse Produkte, vor allem SaaS Lösungen, lassen sich über ein Self-Service Produkt vermarkten. In den Worten von Wes Bush:

Product-led growth is a business strategy that relies on using your product as the main vehicle to acquire, activate, and retain customers. If you’ve used Slack or Dropbox, you’ve witnessed this first-hand. You didn't request a demo to have a salesperson show you how cloud-based file sharing or instant messaging could revolutionize your work. You just tried the product out yourself for free.

Eigentlich ist PLG eine Go-to-Market Strategie, da das Produkt jedoch auch als eine Art “immersive Extension” der Webseite gesehen werden kann, führe ich PLG hier als Demand Capture Mechanismus auf.

Im B2B fallen z.B. die Wachstumsstrategien von Notion, Figma oder coda unter diese Kategorie.

Review-Sites

Review-Webseiten wie G2, Gartner oder Capterra erleichtern in-market Käufern den Vergleich von Features, Preisen oder Bedienbarkeit von B2B Software. Gute Reviews können deinem Unternehmen hier helfen, Teil der Shortlist eines Käufers zu werden (Quelle Beispiel):

Wie misst man den Erfolg von Demand Capture?

Für die Erfolgsmessung von Demand Capture Programmen ist es wichtig, Conversions zu messen, die möglichst nahe am Umsatz sind. Typischerweise sind das Sales Qualified Leads (SQLs), also potenzielle Käufer, die zum ICP passen und die Hand gehoben haben, z.B. mittels Kontaktformular, Demo-Anfrage oder Telefonanruf. Natürlich gibt es auch sekundäre Metriken, die Hinweise auf eine Kaufbereitschaft geben können:

- Webseitenbesucher, welche die Pricing Page, Case Studies oder Formulare aufgerufen haben

- Webseitenbesucher, die mehrfach die Seite besucht haben und aufs Ideal Customer Profile passen

- Direct Messages/Social Engagement potenzieller Kunden z.B. via LinkedIn oder Chat auf der Webseite

Unternehmen, welche deine Webseite besuchen, können z.B. mit Tools wie Albacross oder Leadfeeder DSGVO-konform demaskiert werden. Identifizierung auf Personenebene z.B. mit RB2B ist in Europa nicht möglich.

Für Paid-Kanäle und SEO lohnt es sich, die Klicks auf High-Intent Keywords zu tracken und auch Conversions zu messen. Wichtig: Google, LinkedIn und Co. assoziieren gerne Conversions “last touch” mit ihrer eigenen Plattform. Dieser Bias lässt sich nur mit Multi-Touch Attribution umgehen, beispielsweise mit Tools wie Dreamdata oder Hockeystack. Bei Growth Bay arbeiten wir, wenn immer möglich, mit solchen Tools.

Demand Capture Readiness Checkliste

Um herauszufinden, wie weit dein Unternehmen bereits beim Abschöpfen von Kunden mit klaren Kaufsignalen ist, haben wir eine Demand Capture Checkliste erstellt. So gehst du vor:

- Speichere die Checkliste lokal auf deinem Rechner

- Geh durch die Fragen und markiere was bereits auf dein Unternehmen zutrifft mit grün. Markiere Themen, die noch Arbeit benötigen mit rot

- Alternativ kannst du die Fragen auch auf einer Skala von 1-5 bewerten (1 = schlecht, 5 = sehr gut)

Bezahlwerbung

Anzeigenverwaltung

- Wir kennen unsere High-Intent Keywords

- Unsere Anzeigen und unser Messaging auf der Website sind synchronisiert

- Unsere Anzeigentexte und Creatives basieren auf Daten und Kundenrecherche

- Wir führen häufig Experimente durch und verbessern unsere Anzeigen schrittweise

Messung

- Wir haben für alle Paid-Kanäle ein Conversion-Tracking von der Anzeige bis zur Thank-You Seite eingerichtet

- Wir haben eine klare Definition wichtiger Kennzahlen wie MQLs und SQLs (die mit Marketing und Sales abgesprochen sind)

- Wir messen wichtige Kennzahlen wie # MQLs (mit Intent), #SQLs, Inbound-Pipeline-Wert oder Kosten pro qualifiziertem Lead

– Um den ROI zu beurteilen, verwenden wir nicht nur Last-Touch-Attributionsdaten von Campaign Tools, sondern betrachten auch mehrere Datenquellen und Touchpoints in der User Journey

- Wir können Marketingausgaben mit der Pipeline und dem generierten Umsatz verknüpfen

- Wir haben Kennzahlen definiert, um die Effizienz der Werbeausgaben zu messen (wie CAC, LTV:CAC-Verhältnis oder Amortisationszeitraum).

- Unser Marketingteam wird anhand seines Beitrags zur Pipeline und des generierten Umsatzes gemessen

- Wir verfügen über ein Tracking-System für alle wichtigen Kennzahlen in unserem Funnel (z. B. Woche für Woche oder Monat für Monat).

Impact

- Wir haben ein gutes Ranking (Top 10) für Keywords mit hoher Kaufabsicht in der organischen Suche (Intent-Keywords, nicht Brand)

- Wir generieren qualifizierte Leads aus unseren bezahlten Anzeigen

- Wir priorisieren die Lead-Qualität vor der Anzahl Leads

- Unsere Unit Economics und der ROI für bezahlte Anzeigen machen aus geschäftlicher Sicht Sinn

SEO (Suchmaschinenoptimierung)

- Wir kennen dieKeywords mit hoher Kaufabsicht

- Wir ranken bei unseren Money-Keywords gut (Top 10)

- Wir wissen, welche Keywords tatsächlich in qualifizierte Leads umgewandelt werden

- Wir optimieren auf Business-Impact und nicht für maximale Reichweite (Impressions)

- Wir bauen Topical Authority um unsere Kernthemen auf

- Wir produzieren und publizieren hochwertige, von Menschen verfasste, redaktionelle Inhalte

- Wir konzentrieren uns auf den Aufbau interner Links

- Wir verbessern bestehende Inhalte, um ein besseres Ranking in Suchmaschinen zu erzielen

- Unsere Seiten werden korrekt gerendert

Webseite

Website-Grundlagen

- Wir decken alle grundlegenden Seiten auf unserer Website ab (Startseite, Produktseiten, Anwendungsfälle/Lösungsseiten, Über uns-Seite, Fallstudien-/Problemseiten).

- Wir haben mehr als 5 Kundenstimmen auf unserer Website

- Wir präsentieren unser Produkt/unsere Lösung visuell oder interaktiv (z. B. interaktive Demo oder Sandbox)

- Wir haben eine Preisseite

- Wir haben überzeugende und gut geschriebene Fallstudien

- Unsere Website basiert auf Konvertierungsprinzipien

- Wir lenken Benutzer nicht unnötig mit visuellem Durcheinander (oder Animationen) ab

- Wir haben grundlegende Analytics-Tools wie GA4 eingerichtet und tracken das Benutzerverhalten korrekt

- Unsere Website ist schnell und zuverlässig

- Unser mobiles Website-Erlebnis ist in Ordnung bis gut

- Es gibt keine offensichtlichen Bugs auf unserer Website

- Wir haben einen klaren primären Call-to-Action

- Wir bieten Interessenten mehrere einfache Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme (z. B. Formular, Kalenderbuchung, Telefon usw.)

- Wir haben eine Chat-Lösung, um alle dringenden Fragen sofort zu beantworten

Messaging und Positionierung

- Wir haben ein starkes Wertversprechen (Value Proposition)

- Wir positionieren uns klar im Markt

- Unser Messaging basiert auf Customer Research (nicht auf Annahmen)

- Unsere Seiten sind von Menschen und nicht von KI geschrieben

- Unser Branding (CI/CD) ist eindeutig und konsistent

Datengetriebenheit

- Wir wissen, was unsere High-Intent-Seiten sind und wie sie konvertieren

- Wir haben ein Heatmap- und User Recording-Tool im Einsatz

- Wir haben ein Tool zur Identifizierung von Website-Besuchern eingerichtet

- Unsere Formulare sind mit unserem CRM verbunden und die Felder sind korrekt gemapped

- In Formularen sammeln wir genügend Lead-Informationen, damit Vertriebsmitarbeiter mit den Leads arbeiten können

- Wir optimieren unsere Website basierend auf Daten und Benutzerfeedback, nicht auf Bauchgefühl

Die vollständige Liste als Infografik findest auch hier:

demand capture checklist

Fazit: Demand Capture ist essentiell für die qualifizierte Leadgenerierung

Sales Teams leben von guter Leadgenerierung. Gelungene Demand Capture hilft dabei, mehr kaufbereite Interessenten in qualifizierte Leads zu verwandeln. Mehr SQLs mit hohem Abschlusspotenzial bedeutet mehr Pipeline, was wiederum positive Effekte auf den Umsatz hat.

Moderne B2B Marketing Teams müssen Demand Capture als Teil ihrer B2B Marketing Strategie betreiben und auf typischen Conversion-Kanälen präsent sein. Die Spreu vom Weizen trennt sich beim Wie, nämlich der Umsetzung der Demand Capture Strategien auf den (wenigen) verfügbaren Kanälen.

Der Einfluss einer zur Zielgruppe passenden, performanten Webseite ist im Demand Capture Prozess dabei von grosser Wichtigkeit und wird von vielen B2B Marketern unterschätzt.

Demand Capture funktioniert am besten in Kombination mit gezielter Nachfrageschaffung, die künftige Käufer mit informativen Inhalten versorgt und auf deinen Brand konditioniert.

Wer hat diesen Artikel verfasst?
Wir sind Growth Bay, eine B2B Growth Marketing Agentur mit Sitz in Zürich in der Schweiz.
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